Wie nutze ich die Chancen der (digitalen) Medienarbeit für mein Unternehmen? Soll ich auf Printmedien in Zukunft lieber verzichten? Welche Fehler sollte man in der Außenkommunikation mit Journalisten und in Social-Media-Kanälen vermeiden?
Eva Werner, 45 Jahre alt, unterrichtet digitalen Journalismus an der TH Nürnberg und betreibt mit Philipp Zettel, 39 Jahre alt (Politologe und Sprecher der Unternehmensgruppe Vereinte Talente) die Agentur Achterknoten GmbH in Berlin.
Pressebeck stellte den beiden einige Fragen rund um das Thema: „(Digitale) Medienarbeit – richtig gemacht!“ Beide geben im zweiteiligen Interview wertvolle Tipps für jene Mitarbeiter und Medienverantwortlichen, welche die Außenkommunikation, insbesondere mit Journalisten und auf Social-Media-Kanälen, in kleinen und mittelständischen Unternehmen verbessern möchten.
Pressebeck: Nennen Sie wesentliche Fehler, die Unternehmen bei der Medienarbeit im Allgemeinen immer wieder machen!
Eva Werner: Viele Firmen tun sich schwer damit, eine klare Story für ihr Unternehmen zu finden. Wofür steht das Unternehmen? Es geht innerhalb dieser übergeordneten Story dann darum, Themen zu finden, für die sich die Menschen interessieren. Nicht nur auf den Social-Media-Kanälen, sondern überall, wo kommuniziert wird. Meine Erfahrung: Oft werden intern relevante Themen oder Prozesse nach außen kommuniziert, die für die Öffentlichkeit nicht wirklich von Interesse sind.
Pressebeck: Haben Sie ein Beispiel dafür?
Eva Werner: Das kann die Inbetriebnahme der neuen Maschinenanlage sein, in die man investiert hat, wenn diese eben in dem Fall nur intern relevant ist und in der Kommunikation nicht in einen Gesamtkontext gestellt wird: Was bedeutet die Inbetriebnahme für das gesamte Unternehmen und etwa die Geschäftspartner?
Pressebeck: Nehmen wir das Beispiel eines inhabergeführten Holzbauunternehmens mit 30 Mitarbeitern. Welche Storys sollte er aufgreifen, um seinen Betrieb ins Gespräch zu bringen?
Eva Werner: Ein erster Schritt könnte sich aus folgenden Fragen ergeben: Wo stehen wir gerade im Vergleich zu unseren Mitbewerbern? Sind wir Marktführer? Was machen wir richtig gut? Wenn die Firma etwa zehn Jahre am Markt ist, kann man auch analysieren: Was hat sich in den letzten zehn Jahren geändert? Im Markt und im Unternehmen selbst? Interessant finde ich immer auch Geschichten zu Mitarbeitern, also vorzustellen, wer eigentlich für das Unternehmen tätig ist.
Pressebeck: Das heißt konkret….?
Eva Werner: Wenn es persönlich wird, entstehen besondere Geschichten. Ein Mitarbeiter läuft Marathon. Eine Mitarbeiterin hat acht Kinder und bekommt Beruf und Privatleben „gewuppt“.
Philipp Zettel: Noch ein konkretes wahres Beispiel aus der Verpackungswirtschaft, das sehr gut funktioniert hat: Ein Logistiker – die Fiege Logistik – hat seine Anlagen zu Marketingzwecken jeweils einen Namen gegeben. Daraus wurde ein Storytelling entwickelt, das in Verbindung mit Geschichten über Mitarbeiter viel Content erzeugt hat. Am Ende haben diese Geschichten auch zur hohen Identifikation der Mitarbeiter mit der Firma beigetragen – und dazu, dass sich Ingenieure bei diesem Betrieb beworben haben. Diese Idee finde ich besonders spannend.
„Ein Fehler – zu wenig Kommunikation mit dem Kunden!“
Pressebeck: Was wurde dort gemacht?
Philipp Zettel: Die Maschinen wurden personalisiert, die Spezifikationen herausgestellt. Den technischen Mitarbeitern geht es oft um „nicht-emotionale“ Details, nicht nur um technische Prozesse. Mit diesem Ansatz hat man bei Bewerbern offenbar viel Interesse geweckt, mit diesen Maschinen zu arbeiten.
Eva Werner: Laut verschiedener Studien werden 90% der Informationen von uns Menschen emotional aufgenommen. Eine Botschaft kommt also nur dann an, wenn sie emotional verpackt wird. Und hier liegt oft der nächste Fehler. Viele Menschen, die irgendwelche Nachrichten lesen, steigen aus, weil man sich in technischen Details verliert, diese nicht mit Emotionen verbindet.
Nehmen wir das Beispiel Apple. Hier kauft man auch ein bestimmtes Lebensgefühl. Wenn man es schafft, ein positives Lebensgefühl mit dem Produkt zu kommunizieren, kann ein Unternehmen oft mehr Geld verlangen als der Konkurrent.
Philipp Zettel: Das gilt auch für den Holzbau – um auf Ihre Frage von vorhin zurück zu kommen. Holzbau bedeutet, traditionelles Unternehmertum mit Hightech zu verbinden. Anders ausgedrückt: Hightech, Menschen-Power, Nachhaltigkeit auf der einen, Tradition, Landschaftspflege, Handwerk auf der anderen Seite! Was viele nicht wissen: Die Holzwirtschaft hat die Nachhaltigkeit erfunden. Diese Philosophie lässt sich wunderbar in Storytelling unterbringen.
Pressebeck: Wie verbreitet man solche Geschichten?
Eva Werner: Neben den fehlenden Storytelling-Ansätzen wird oft der Dialog zwischen Firma und Zielgruppe in den digitalen Medien vergessen. Bei Printmedien ist Kommunikation eine Einbahnstraße, aber in den digitalen Medien ist der Dialog oft möglich und wichtig.
Das Kundenfeedback kommt unmittelbar. Darauf muss ich nicht nur reagieren, ich kann relevantes Feedback auch sofort nutzen. Wenn es zum Beispiel viele Beschwerden zu einem Detail gibt, sollte ich die Kunden nicht nur wissen lassen, dass ich ihre Beschwerde ernst nehme, sondern kann auch selbst aktiv via Social Media und Pressemitteilung kommunizieren, dass das Problem bekannt ist und wie und wann sich etwas ändert. Auch wenn es viel Lob gibt, kann ich daraus einen eigenen Post oder eine Pressemitteilung bauen um damit für das Unternehmen zu werben.
Pressebeck: Haben Sie eine Vorgehensweise, die Sie empfehlen können?
Eva Werner: Die erste Frage lautet: Wo halten sich meine Kunden auf, wie kann ich diese erreichen? Das kann man ganz einfach herausfinden, indem man die Kunden fragt. Auch das ist ein Fehler, der immer wieder gemacht wird! Zu wenig Kommunikation mit dem Kunden!
Im Mittelstand ist etwa Instagram weniger relevant. Noch! Die Mehrzahl der Firmen ist auf Facebook unterwegs, hier kann man auch gut Journalisten erreichen. Auch XING ist ein gutes Medium zur Kontaktaufnahme mit diversen Zielgruppen. Auch LinkedIn wird immer wichtiger.
„Die digitalen Medien geben die Chance zu einem direkten Feedback durch den Kunden!“
Pressebeck: Worin bestehen aus Ihrer Sicht die wesentlichen Unterschiede bei der Print-Medienarbeit und der digitalen Medienarbeit andererseits? Eva Werner: Guter Inhalt ist genauso wichtig für Print- wie für Onlinemedien. Der wesentliche Unterschied: Die digitalen Medien geben die Chance zu einem direkten Feedback durch den Kunden. Diese Chance sollte man auch nutzen.
Die digitalen Medien sind zudem schneller. Man kann schnell einen Account anlegen, eine Anzeige bei Facebook schnell posten. Die Kommunikation muss aber trotzdem gut vorbereitet und durchdacht sein! Wenn ich weiß, in welchen Medien und Kanälen ich meine Zielgruppe erreiche, dann habe ich auch die Chance auf persönliche Kundenfeedbacks. Die wiederum kann ich verwenden, um meine Kommunikationsstrategie weiterzuentwickeln. Bei Printmedien spricht man meist ein älteres und konservatives Publikum an. Allerdings bewegen sich alle Zielgruppen verstärkt im Onlinebereich. Im B2B Bereich ist das sowieso schon längst der Fall.
Pressebeck: Welchen Vorteil haben die Printmedien für die Außenkommunikation?
Eva Werner: Für mich ist Print nach wie vor kein „totes“ Medium. Es macht Sinn, Printmedien zu nutzen, um eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen. Dies gilt vor allem bei längeren Texten. Veranstaltungshinweise in Printmedien bieten auch in Zukunft gute Chancen, Anzeigen in Printmedien können auch in der Kommunikation von problematischen Themen und in der Krisenkommunikation gut eingesetzt werden
Pressebeck: Experten sagten Anfang des Jahrtausends voraus, dass es im Jahr 2020 kaum noch Tageszeitungen geben wird. Wie könnte das im Jahr 2040 aussehen?
Eva Werner: Professor Dr. Klaus Meier vom Lehrstuhl für Journalistik der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt hat erst jüngst berechnet, dass im Jahr 2033 die letzte Tageszeitung den Betrieb einstellen wird.
Wir sehen ja alle, dass es von Jahr zu Jahr weniger Tageszeitungen gibt. Welche Studenten-WG hat heute noch eine Tageszeitung? Ich bin aber gleichzeitig überzeugt, dass Special-Interest-Magazine in der Printversion nicht aussterben werden.
Pressebeck: Was sind für Sie die wesentlichen Erfolgsfaktoren, die aus der digitalen Medienarbeit resultieren?
Philipp Zettel: Der direkte, persönliche Dialog mit jedem Menschen, auch das Kundenfeedback. Moderne, digitale Kommunikation darf keine reine Push-Kommunikation mehr sein, also eine, die einfach nur breit in den Markt drückt, wie das mit Wurfsendungen oder Printwerbung der Fall war, ohne dabei auf die eigentlichen Bedürfnisse der Zielgruppe einzugehen. Die Frage ist, wie es mit digitalen Mitteln gelingt, dass Adressaten von sich aus die Produkte oder Services ihres Unternehmens nachfragen, dass sie über soziale Netzwerke oder ihre Webseite mit ihnen in Verbindung treten, wo auf ihr individuelles Anliegen eingegangen wird. Dazu braucht es eine Pull-Strategie, gutes Monitoring und interessante spannende Inhalte für den Adressaten. Wenn es mir gelingt, dass der Kunde von sich aus auf mich aufmerksam wird und nachfragt wird er quasi Werbeträger für das Unternehmen. Das ist ein konkreter Nutzen. Man hat sozusagen „local testimonials“.
Im zweiten Teil des Interviews, das auch im Dezember veröffentlicht wird, geben Eva Werner und Philipp Zettel Tipps und Ratschläge unter anderem zu folgenden Fragen: Welche digitalen Medien und Kanäle eignen sich besonders, wenn es darum geht, den Bekanntheitsgrad eines Unternehmens zu steigern und sich als Arbeitgeber ins Gespräch zu bringen? Sollen junge Firmen ausschließlich auf digitale Medien setzen? Wovon sollte man die Entscheidung abhängig machen? Und was sollte man unbedingt bei der Medienarbeit vermeiden – und tun?
Zu beiden Personen:
Eva Werner und Philipp Zettel sind Geschäftsführer von Achterknoten GmbH in Berlin. Die 45-Jährige unterrichtet digitalen Journalismus an der TH Nürnberg und hat 2019 an einem Band zum Changemanagement mitgewirkt. Der Titel lautet „Change in der Medien- und Kommunikationsbranche“ und ist zum Downloaden oder Bestellung unter diesem Link erhältlich. Eva Werner ist Gründungsmitglied im Deutschen Institut für Changeprozesse (München).
Ihr Kollege Philipp Zettel (Jahrgang 1980) begleitet seit vielen Jahren Unternehmen bei deren Veränderungsprozesse und hält auch Vorträge zum Thema „Unternehmens-Change“ und „Agentur-Modelle der Zukunft“. Mehr Infos unter www.achterknoten.de.
Interview: Stefan Beck, November 2019
veröffentlicht am 6. Dezember 2019