Im zweiten Teil des Interviews geht es um die Frage: Sollte sich ein Unternehmen ausschließlich in den sozialen Medien engagieren? Wovon hängt eine regelmäßige Kommunikation ab? Ist weniger (Kommunikation) manchmal mehr?
Pressebeck: Welche Instrumente zur Nutzung der digitalen Medienarbeit empfehlen Sie mittelständischen und kleinen Betrieben besonders, wenn es etwa um Bekanntheitsgrad, Imagegewinn und Arbeitgebermarke geht?
Eva Werner: Ich würde das nicht nach Kategorien trennen. All diese Kriterien spielen eine Rolle – alle auf den gleichen Kanälen eine Rolle. Es geht darum, die Kunden zu befragen, wo sie unterwegs sind! Momentan spielen Kanäle wie Facebook, Twitter, Instagram, Youtube, Linkedin, Xing, Pinterest eine große Rolle. Das bedeutet nicht, dass man auf allen Kanälen präsent sein muss. Man sollte sich die Frage stellen: Wie viel Manpower habe ich, wie viel Zeit kann ich in solche Kanäle stecken? Es macht keinen Sinn, auf allen Kanälen präsent zu sein.
Pressebeck: Also Mut zur Lücke?
Eva Werner: Genau! Es gibt Tools, mit denen man gleichzeitig solche Kanäle bespielen kann. Als Mittelständler stellt sich die Frage, ob man sich solche Tools leisten möchte – oder ob man das lieber händisch macht. Bei kleinen Betrieben sieht das eher komisch aus, wenn man einen „Chatbot“ in Anspruch nimmt. Hier ist es besser und wichtiger, wenn man auf Anfragen schnell antwortet.
Philipp Zettel: Noch eine Ergänzung: Nehmen wir das Beispiel eines KMUs, das im B4B-bereich aktiv ist. Hier kann man in sozialen Netzwerken auch Leute treffen, die nicht als Kunde in Fragen kommen, die aber wiederum mögliche B2B-Partner beeinflussen können. Aber hier kommen wir wieder auf das emotionale Storytelling – ein indirektes Matching funktioniert nur dann, wenn es eine gute Story gib, Aufmerksamkeit generiert wird und der User über die Pull-Effekt erreicht wird.
Pressebeck: Es gab 2017 unterschiedliche Aussagen von zwei Medien-Professoren: Einer äußerte die Meinung, dass vor allem große Firmen sich von Facebook & Co. in Zukunft eher zurückziehen, weil denen die Macht der Riesen nicht mehr geheuer ist. Dessen Prognose: Manche Firmen setzen in Zukunft vermehrt auf die eigene Webseite als Haupt-Kommunikationsplattform. Ein anderer Professor äußerte, dass die Nutzung von Facebook & Co. eher noch zunehmen wird. Wohin geht die Entwicklung aus Ihrer Sicht? Und was empfehlen Sie Firmen zu tun?
Eva Werner: Das kommt darauf an. Wenn man ein gutes SEO betreibt und in Google ganz oben gerankt ist, dann kann man durchaus auf die eigene Webseite setzen. Ob man auf Google so viel besser unterwegs ist als auch auf Facebook, darüber kann man streiten. Mein Eindruck ist nicht, dass sich große Firmen von Facebook in letzter Zeit zurückgezogen haben. Beim auch für PR immer beliebteren Portal TikTok (ehemals Muical.Ly) sieht es da noch ein bisschen anders aus. Da sollte man vor Einsatz zumindest mitbedenken, dass der Firmensitz in China liegt. Es ist komisch: Wenn man sich auf Instagram tummelt, ist man bei der Facebook-Gruppe. Wenn man Google ablehnt, aber Youtube nutzt, ist das auch merkwürdig.
Die großen Player außer acht zu lassen und nur auf die eigene Webseite zu setzen – das funktioniert meiner Meinung nach nicht. Wenn man digital unterwegs sein will, kommt man nicht um diese Player herum. Ich will sogar vor übertriebener Vorsicht vor Facebook und Google warnen! Freilich sollte man nichts in Netz setzen, was man nicht vertreten kann.
Es geht stets darum, proaktiv zu kommunizieren
Pressebeck: Was würden Sie jungen Firmen raten? Sollen diese ausschließlich auf digitale Medienarbeit setzen – oder auch fallweise die Vorzüge von Printmedien nutzen? Wovon würden Sie die Entscheidung abhängig machen?
Eva Werner: Ich würde nicht ausschließlich auf digitale Medien setzen. Es hängt immer vom Zweck bzw. Ziel ab, das man erreichen will. Ein Beispiel: Wenn es eine Krise in einem Unternehmen gibt und es gibt dazu ein Zeitungsinterview, dann sollte man auch das Printmedium nutzen, um in dem Kanal „zurückzuspielen“ Dann macht es Sinn, eine Pressemitteilung zu versenden und diese auf der eigenen Webseite zu veröffentlichen. Die tägliche Kommunikation sollte auf digitalen Kanälen stattfinden.
Pressebeck: Gibt es Branchen bzw. Firmen, bei denen Sie ausschließlich auf den Einsatz digitaler Instrumente für die eigene Kommunikation setzen würden?
Eva Werner: Wenn man im Bereich Influencer-Marketing unterwegs ist, einen Instagram-Acount hat und die Zielgruppe ausschließlich in digitalen Medien unterwegs ist – überhaupt nicht im Printbereich – dann macht das Sinn. Hier kommen wir zu der wichtigen Frage zurück: Wo ist meine Zielgruppe, wie kann ich diese erreichen? Ich meine: Wenn meine Zielgruppe digital unterwegs ist, bin ich auch digital unterwegs.
Ich fasse mal zusammen: Jedes Unternehmen braucht eine Kommunikationsstrategie. Die Frage lautet: „Was ist meine „Brand-Story“? Es geht stets darum, proaktiv zu kommunizieren. Man sollte also nicht warten, bis Medien auf einen zukommen oder Kundenbeschwerden stattfinden. Dazu gehört auch, heikle Themen zu kommunizieren, auch gesellschaftsrelevante Themen.
Pressebeck: Genau davor haben viele Firmen Angst, auch manche Chefs. Das Motto lautet oft: Den Kopf einziehen, der Wind fliegt über uns hinweg, und irgendwann redet niemand mehr darüber.
Eva Werner: Das ist falsch und hat früher besser funktioniert als heute. Eine solche „Nicht-Reaktion“ kann funktionieren, kann aber auch schnell den Ruf eines Unternehmens kaputtmachen. Es gibt ja dieses sehr bekannte Zitat von Warren Buffet, das in etwa lautet: Man braucht manchmal bis zu 20 Jahre, um einen sehr guten Ruf zu erreichen, aber es kann nur fünf Minuten dauern, bis der Ruf eines Unternehmens ruiniert ist. Wichtig ist, authentisch zu sein, bei der Wahrheit zu bleiben…
Pressebeck: Womit manche Firmen ein Problem haben. Es wird gerade das zugegeben, was man nicht mehr verneinen kann…
Eva Werner: Proaktive Kommunikation – das ist meine Empfehlung. Nicht zu kommunizieren – der Schuss kann schnell nach hinten losgehen. Man sollte immer versuchen, schnell zu reagieren, besonders wenn es heikel wird. Auch auf Presseanfragen sollte man so reagieren. Ein Journalist wartet selten drei, vier Tage.
So entsteht auch ein nachvollziehbarer Kommunikationsrahmen
Pressebeck: Was sind aus Ihrer Sicht weitere, wichtige „Do´s“ und „Do nots“?
Eva Werner: Man sollte seine Kunden mit der eigenen Kommunikation nicht langweilen, und auch keine Feedbacks ignorieren. Ebenso sollte man nicht die falschen Plattformen wählen.
Pressebeck: Haben Sie eine Faustregel? Etwa: Einmal im Monat sollte man mindestens nach außen kommunizieren? Mittels einer Pressemitteilung oder Facebook oder Blogartikel?
Eva Werner: Einmal im Monat ist schon mal ein guter Richtwert – für längere Geschichten. Wer Social-Media-Kanäle nutzt, dem empfehle ich öfter zu kommunizieren als einmal im Monat! Hier empfehle ich noch am selben Tag auf Kundeneinwände und Kommentare zu reagieren. Ganz wichtig ist zu zeigen: Wir sind da, wir sind präsent.
Philipp Zettel: Ich habe immer wieder mit der Holzwirtschaft zu tun. Einem Unternehmen habe ich mal folgende Idee angeboten: Lasst uns doch mal nach Jahreszeiten kommunizieren. Was bedeutet das für das Unternehmen, was bedeutet das für die Mitarbeiter, für die Nachhaltigkeit und Umwelt? So hat man einen ganz anderen Aufhänger – und es entsteht auch ein nachvollziehbarer Kommunikationsrahmen.
Pressebeck: Was empfehlen Sie einem solchen Handwerksunternehmen noch?
Philipp Zettel: Man sollte immer einen Bezug herstellen zwischen Produkt oder Dienstleistung, Firmen und deren Kunden! Ich frage meine Kunden daher immer wieder: Wo sind denn Ihre Kunden unterwegs? Ein Kunde fragte mich mal: Was soll ich denn auf Pinterest und Instagram? Ich antwortete: Wenn dort Architekten sich aufhalten, also Ihre Endkunden, dann sollten Sie auch dort kommunizieren. Aber das war auch ein längerer Prozess, solches umzusetzen.
Pressebeck: Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch und Ihre Expertise!
Die Fragen stellte Stefan Beck
Freitag, 24. Januar 2020
Zu beiden Personen: Eva Werner und Philipp Zettel sind Geschäftsführer von Achterknoten GmbH in Berlin. Die 45-Jährige unterrichte digitalen Journalismus an der TH Nürnberg und hat 2019 an einem Band zum Changemanagement mitgewirkt. Der Titel lautet „Change in der Medien- und Kommunikationsbranche“ und ist zum Downloaden oder Bestellung unter folgendem Link erhältlich. https://www.hss.de/publikationen
Sie ist Gründungsmitglied im Deutschen Institut für Changeprozesse (München). Ihr Kollege Philipp Zettel (Jahrgang?) begleitet seit vielen Jahren Unternehmen bei deren Veränderungsprozesse und hält Vorträge zum Thema „Agentur-Change“ und „Agentur-Modelle der Zukunft“. Mehr Infos unter www.achterknoten.de
Und hier geht es zum 1. Teil des Interviews (Link)